Die EU-Kommission, das Programm of Action und europaweite Waffenrechtsverschärfungen

Am 21. Oktober 2013 hat EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström in Brüssel einen Bericht der Europäischen Kommission vorgestellt, der sich mit der Gefährdung der Bevölkerung durch Schusswaffen beschäftigt. Kredo der Kommission: Es gibt nach wie vor zu viele Opfer von Gewalttaten, die mit Schusswaffen verübt werden. Diesem muss mit strengeren Waffengesetzen entgegen gewirkt werden.

Wir können uns über die Pläne der EU Kommission nur wundern, denn wieder einmal werden legal besessene Schusswaffen mit illegal besessenen in einen Topf geworfen, um weitere Einschränkungen für Waffenbesitzer zu rechtfertigen und der Öffentlichkeit dadurch mehr Sicherheit vorzugaukeln. Dabei sollte sich doch inzwischen selbst bis zur EU Kommission herumgesprochen haben, dass ein Großteil der Opfer von Gewalttaten mit illegalen Schusswaffen verletzt oder getötet werden und legale Waffen nur selten bei Gewalttaten Verwendung finden. Konkret nennt dazu die EU Kommission folgende Zahlen: Etwa 1.000 Einwohner (von ca. 501 Millionen Einwohnern) werden in der EU jährlich Opfer von Tötungsdelikten bei denen eine Schusswaffe das Tatmittel ist.

Es wird allerdings wie üblich nicht nach Herkunft der Schusswaffen (legaler Besitz/illegaler Besitz) unterschieden, obwohl z.B. Zahlen aus Deutschland deutlich zeigen, dass legale Waffen bei Straftaten nur selten verwendet werden: Der Anteil liegt bei etwa 5%. Vor diesem Hintergrund ist es sehr fraglich, wie strengere Waffengesetze die innere Sicherheit innerhalb der Europäischen Union erhöhen können und vor allem, ob überhaupt die Verhältnismäßigkeit gegeben ist. Zudem ist es nicht so, dass Schusswaffenkriminalität insgesamt zu nimmt, das Gegenteil ist der Fall.

Weitaus problematischer ist allerdings, dass die Zahlen, auf welche die EU Kommission ihre Annahmen stützt völlig falsch sind. Es wird angegeben, dass in Deutschland je 100 Einwohner rund 30 Schusswaffen vorhanden sind. Dies ist schlichtweg falsch, der tatsächlich verifizierbare Wert liegt bei 6,9 Schusswaffen auf 100 Einwohner, wie sich aus den aktuellen Zahlen des 2012 eingeführten Nationalen Waffenregisters, nach dessen Bestand in Deutschland rund 5,6 Millionen Schusswaffen legal registriert sind, sehr leicht errechnen lässt. Das besondere I-Tüpfelchen: Das NWR wurde in Deutschland auf Grund eines EU-Erlasses umgesetzt und nun benutzt die EU nicht einmal die korrekten Zahlen aus diesem Register, sondern schätzt grob, wie viele illegale Waffen es geben könnte, rechnet das auf die Legalen auf und begründet mit diesem fiktiven Schätzwert ihre Argumentation zur angeblich notwendigen Verschärfung der Waffengesetzgebung ihrer Mitgliedsstaaten. Das ist dem legalen Waffenbesitz gegenüber weder fair, noch lässt sich ein solches Vorgehen als professionell gemachte Politik bezeichnen.

Was sind die Überlegungen der EU Kommission?

  • Halbautomaten sollen stark beschränkt oder verboten werden (Lang- und Kurzwaffen)
  • Magazine und ggf. auch andere Zubehörteile sollen zu “wesentliche Teile einer Schusswaffe” werden (Erwerbsscheinpflicht)
  • Magazine sollen in der Kapazität beschränkt (ohne konkrete Angabe)
  • Besessene Munitionsmengen sollen reglementiert werden
  • Handel im Internet soll für Waffen und Munition beschränkt bzw. verboten werden
  • Deko-/Salutwaffen sollen möglichst gänzlich verschwinden, die Waffen sollen stattdessen vernichtet werden
  • Softair und Luftdruckwaffen sollten stärker reglementiert werden
  • Langfristig sollen alle legal registrierten Waffen biometrisch gesichert sein (Armatix und Co)
  • Zentrale Lagerung wird gegenüber der Lagerung in der Privatwohnung präferiert

Diese Forderungen decken sich im Grunde mit den Forderungen des Programm of Action der Vereinten Nationen (kurz: PoA), welches nun offenbar von der EU Kommission europaweit umgesetzt werden soll, da nicht alle Mitgliedsstaaten das PoA positiv sehen. Selbst Deutschland hat das PoA nicht umgesetzt, da das PoA sich weigert, bestehende Kontrollstrukturen für die Reglementierung von Schusswaffenexporten, der -herstellung und dem -besitz anzuerkennen und stattdessen lieber die eigenen Strukturen umgesetzt sähe. Zudem wird das PoA der UN bereits seit längerem von verschiedenen Stellen dafür kritisiert, dass die Maßnahmen nicht auf den legalen Waffenbesitz ausgedehnt werden dürfen, denn eine tatsächliche Gefahr geht nur von illegalen Waffen und fragwürdigen Waffenexporten aus. Zudem haben der Export von Kriegswaffen und der legale Besitz von Schusswaffen nicht das Geringste mit einander zu tun, wird aber dennoch gemeinsam behandelt.

Dabei stützen PoA, IANSA, SmallArmsSurvey, das Small Arms Advisory Network und letztlich auch die EU Kommission ihre geplanten und empfohlenen Maßnahmen auf völlig falsche Behauptungen und durchmischen ständig Thesen zum legalen und illegalen Besitz von Schusswaffen.

Ob legal, oder illegal, Waffen sind prinzipiell gefährlich und kosten vielen Menschenleben

Diese Annahme ist für Europa betrachtet in allen Punkten falsch. Es gibt keine große Gefährdung durch illegale Waffen und eine kaum messbare durch legalen privaten Waffenbesitz. Europa hat derzeit ca. 501 Millionen Einwohner und jährlich insgesamt etwa 1.000 Schusswaffenopfer (laut EU Kommission). Das ist ein unglaublich niedriger Wert und das, obwohl wir in Europa traditionell bzw. kriegsbedingt eine recht hohe Anzahl von Schusswaffen (legal und illegal) haben. Zudem sind Schusswaffenopfer meist selbst kriminell. Für den Normalbürger ist eine Gefährdung durch Schusswaffen praktisch nicht gegeben bzw. verschwindend gering.

Privater legaler Waffenbesitz führt zu mehr Kriminalität und Selbstmorden

Nur ein Bruchteil der Opfer kommt durch legal registrierte Waffen ums Leben, in Deutschland im mittelfristigen Schnitt etwa 10 bis 20 Menschen pro Jahr. Dabei handelt es sich meist um Opfer von Beziehungstaten. Dies ist auch in anderen EU Mitgliedsstaaten und nicht nur in Deutschland so. Die Selbstmordrate hängt ebenfalls nicht mit dem legalen Waffenbesitz zusammen, denn genau wie beim Mord sind die Tatmittel hier eher nebensächlich. Schusswaffen spielen bei Gewaltdelikten und Selbsttötungen insgesamt als Tatmittel eine eher untergeordnete Rolle.

Schärfere Waffengesetze verhindern 1.000 Schusswaffenopfer

Diese Annahme klingt seltsam, aber die EU Kommission denkt so, weil sie eben prinzipiell nicht zwischen legalem und illegalem Waffenbesitz unterscheidet. Die Logik dabei ist: Keine Schusswaffen, also auch keine Toten durch Schusswaffen. Dass sich aber bereits illegale Bestände in den Händen von Kriminellen nicht noch mehr verbieten lassen, als sie es eh schon sind, sollte doch jedem klar sein. Dies wurde sehr deutlich sichtbar, als in Großbritannien die Waffengesetze extrem verschärft wurden. Die Mordrate ist kurz darauf gestiegen, um dann langsam wieder auf das Ursprungsniveau abzufallen. Es hat sich durch die Verschärfung der Waffengesetzgebung nichts verändert.

Angriffe mit Schusswaffen stellen laut weltweiten Studien ein urbanes Phänomen dar, das vermutlich in Zusammenhang mit sozialer Ausgrenzung, Gangs und Drogenhandel steht, sowie der Verfügbarkeit von illegalen Waffen. Von daher ist der Vorschlag der EU-Kommission den illegalen Handel zu bekämpfen, zu begrüßen. Neue Gesetze, an die sich Kriminelle eh nicht halten und lediglich rechtstreue Bürger drangsalieren sind jedoch abzulehnen.

Illegale Waffen waren vorher legale Waffen

Bevor diese Annahme in weitere Regularien mündet, sollten zuerst Daten beschafft werden, die diese Annahme bestätigen können. Die meisten bei kriminellen Gangs konfiszierten Waffen sind vollautomatische Waffen, die in der EU in allen Mitgliedsstaaten für zivile Nutzer bereits verboten sind. Und für die anderen zivilen Waffen hat die EU 2008 und 2012 zwei wesentliche und umfangreiche Richtlinien verabschiedet, die in die nationalen Gesetzgebungen eingeflossen sind und den illegalen Handel verringern. Bevor man weitere Maßnahmen beschließt, sollte man abwarten, wie effektiv diese Maßnahmen durchgesetzt wurden bzw. in welchen EU-Ländern es an der Umsetzung hapert.

Anstatt sinnfrei den legalen Besitz von Schusswaffen zu beschneiden, sollten folgende Maßnahmen mit vorwiegender Dringlichkeit ergriffen werden: Erhöhung des Drucks auf kriminelle Märkte und Verbesserung der Erkenntnisgewinnung. Erst die Erkenntnisgewinnung kann dafür sorgen, dass effektive Maßnahmen gegen illegale Schusswaffen ergriffen werden können. Zur Erkenntnisgewinnung gehört auch, die Umstände für Mord und Totschlag zu ermitteln. Die ISEC Studie hat hierzu ein Datenhandbuch entwickelt, das bei jedem Todesopfer durch Gewalt zur Anwendung kommen sollte. Nur so können präventive Maßnahmen ergriffen werden, die auch langfristig Wirkung zeigen.

Ein weiterer großer Kritikpunkt an der Arbeitsweise der EU Kommission ist, dass sie ihre Argumentation mit manipulativen Studien und einer sehr zweifelhaften Informationspolitik stützen. So gab es zu diesem Thema EU weit zwei Umfragen: Eine Umfrage mit 85.673 Teilnehmern, die sich aus sehr vielen Organisationen und öffentlichen Einrichtungen rekrutierten und einer Telefonumfrage mit rund 25.000 Teilnehmern, bei denen willkürlich gewählte EU Bürger befragt wurden.

Die erste Studie, die aus den von uns oben genannten Gründen für weitere Verschärfungen keine Notwendigkeit sieht, findet in dem EU Papier kaum eine Erwähnung. Jedoch, dass sich in der Telefonumfrage 55% der Befragten für eine Verschärfung der Waffengesetzgebung aussprechen, wird deutlich herausgestellt und als Legitimation der Verbotspläne angeführt. Von den Befragten besaßen übrigens 95% keine Schusswaffe. Warum die Verwendung solcher “Gefühlsstudien” zur Durchsetzung politischer Forderungen – um es höflich zu sagen –  “ungeeignet” sind, hat Katja Triebel in Ihrem Blog sehr detailliert ausgeführt.

Unser Fazit

Die EU Kommission verdreht Fakten, vergleicht Äpfel mit Birnen, arbeitet manipulativ, und lügt den EU Bürgern vor, sie könnte die innere Sicherheit durch schärfere Waffengesetze erhöhen. Dies ist Augenwischerei auf Kosten der Bürgerrechte vieler Millionen rechtstreuer Waffenbesitzer innerhalb von ganz Europa. Aber was können wir tun? Wie gehen wir gegen die oft als demokratisch nicht legitimierte und übermächtig empfundene EU Kommission vor? Es ist schon schwierig, überhaupt den richtigen Ansprechpartner zu finden.

Du bist gefragt!

Als Abteilung der EU Kommission ist die “DG Home Affairs” für das Thema Schusswaffengesetzgebung und -kriminalität zuständig:

Europäische Kommission
DG Home Affairs
B–1049 Brüssel
BELGIEN

Für den gesamten Themenkomplex innere Sicherheit ist EU Innenkommissarin Cecilia Malmström zuständig:

Kommissarin Cecilia Malmström
Europäische Kommission
B–1049 Brüssel
BELGIEN

Wenn du etwas gegen die Pläne der EU unternehmen willst, dann solltest du an die beiden oben genannten Stellen einen Brief schreiben, in denen du die Argumente mit denen seitens der EU Kommission gearbeitet wird widerlegst. Dazu kannst du gerne Teile und Zitate dieses Beitrags verwenden. Nur, wenn möglichst viele Menschen innerhalb der EU zu diesem Thema deutlich ihre Meinung sagen, können wir etwas erreichen. Das kostet ein wenig Zeit und ein paar Briefmarken und wir bitten dich inständig dein demokratisch garantiertes Recht auf freie Meinungsäußerung wahrzunehmen.

Wie bieten dir hier übrigens ganz bewusst kein Standard-Schreiben als Kopiervorlage an, dass du nur noch in einen Briefumschlag stecken musst, denn solche Anschreiben werden mit Standard-Antworten beglückt und laufen ins Leere. Nur wenn du dich hinsetzt, dir ein wenig darüber Gedanken machst, was du der EU Kommission ganz persönlich zu ihren Plänen sagen willst, wirst du auch eine individuell auf dich eingehende Antwort erhalten. Du könntest z.B. fragen, warum die groß angelegte Studie mit über 85.000 Teilnehmern offensichtlich so wenig Beachtung fand. Warum werden legale und illegale Waffen praktisch gleich behandelt? Warum rechtfertigen 1.000 Tote, die meisten davon Kriminelle, den massiven Eingriff in die Bürgerrechte? Warum werden halbautomatische Langwaffen, die nicht deliktrelevant sind, für gefährlich gehalten? Sei kreativ! Aus diesem Bericht lassen sich genug Fragen ableiten, die man stellen kann.

Die Abteilung Home Affairs ist übrigens gesetzlich dazu verpflichtet innerhalb von 15 Tagen eine Antwort zu geben, wenn sie eine Bürgeranfrage erhält.

Wir sind auf die Begründung der EU Kommission gespannt und würden uns freuen, wenn du uns die Antwort auf dein Schreiben zur Verfügung stellst (siehe Kontakt).

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